100 Tage ist unsere schwarz-gelbe Regierung, böse Zungen nennen sie auch den Tigerentenclub, jetzt am Ruder. Neben der Wirtschaftskrise ist die größte Aufgabe, die unsere Regierung zu bewältigen hat, die dringend notwendige Reformation des Gesundheitswesens. Doch bereits jetzt erhöht sich der Druck auf Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), mit kostendämpfenden Maßnahmen das Ausgabenwachstum in der gesetzlichen Krankenversicherung in den Griff zu bekommen. Noch im März will Rösler seinen Maßnahmenkatalog vorstellen. Dabei gerät er schon jetzt unter Beschuss von allen Seiten, die derzeit einzige Rückendeckung bekommt er von Bundeskanzlerin Angelika Merkel. Sie versicherte am 4. Februar in den ARD Tagesthemen, der geplante Systemwechsel werde „Schritt für Schritt vernünftig durchgeführt“.
Vernünftig ist das letzte Wort was mir beim Anblick der übrigen Protagonisten in diesem Dauerstreit einfällt. Die Äußerungen der Professoren Lauterbach und Glaeske erinnern zunehmend an die der Herren Waldorf und Statler, ihnen gefällt zwar nichts, was sie sehen, sie versäumen aber dennoch keine Aufführung. Den aktuellen Höhepunkt hat hier Herr Lauterbach mit seiner Forderung gesetzt, überflüssige Unternehmensgewinne aus den Apotheken abzuziehen und damit 1 Mrd. Euro im Jahr einzusparen. Dies macht bei ca. 22.500 Apotheken in Deutschland im Durchschnitt 44.000 € pro Apotheke. Das die durchschnittliche Apotheke aber nur ein Betriebsergebnis von 75.000 € erwirtschaftet und sich daher die Frage stellt, wer für den kläglichen Rest dann noch das Risiko eingeht, eine Apotheke leiten, bleibt vorsichtshalber ebenso unbeantwortet, wie die Frage, wo und wie die ausfallende Gewerbe- und Einkommenssteuer kompensiert werden soll.
Von einer ebenso ausgesuchten gedanklichen Qualität zeugt die Aussage des Präsidenten der Bundesärztekammer Professor Jörg-Dietrich Hoppe zum Preis neuer Medikamente. Mit Verve verlangt der oberste Arzt Deutschlands Festbeträge für neue Arzneimittel, denn diese seien in Deutschland a.) viel zu teuer und b.) vielfach nur Scheininnovationen, die dem Patienten keinen Vorteilbringen. Es stellt sich dann a.) die Frage wie zukünftig Arzneimittelforschung finanziert werden soll, wenn Zustände wie in der Planwirtschaft herrschen und b.) warum die Kollegen des Herrn Hoppe Scheininnovationen überhaupt verordnen.
Auch die Absenkung der Mehrwertsteuer auf einen reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 %, wie in anderen Ländern Europas üblich und auch in Deutschland auch bereits vielfach gefordert, scheint zur Zeit nur bedingt zur Debatte zu stehen. An dieser Stelle wären Einsparungen für die Gesetzliche Krankenversicherung von deutlich über 2 Mrd. € möglich. Warum also Hotelübernachtungen und Hundefutter einen eher zu den Gegenständen des täglichen Bedarfes gehören als lebensnotwendige Arzneimittel wird uns vermutlich allen verschlossen bleiben.
Also viel Stückwerk und in meinen Augen wenig wirklich konzeptionelles, dabei ist im deutschen Gesundheitssystem jetzt wirklich ein Umdenken gefordert. Die deutsche Bevölkerung altert immer stärker und die Zahl der Beitragszahler sinkt. Hieraus ergibt sich fast zwingend die Frage, wie lange wir uns unser heutiges System mit voller Leistung für alle noch leisten können. Diese Einschätzung deckt sich mit einer aktuellen Umfrage, in der sich 3 von 4 Ärzten überzeugt davon zeigten, dass wir in den nächsten 10 Jahren ein 2-Klassen-System im Gesundheitswesen bekommen werden. Unglücklich daran ist, dass solche Prophezeiungen in der Politik nicht populär sind, denn bekanntlich ist nach der Wahl auch immer vor der Wahl. Der geneigte Leser erkennt sofort: Da jeder Gesundheitsminister auch immer auf seine politische Zukunft blickt, werden wir uns bis zum großen Befreiungsschlag wohl noch lange gedulden müssen.
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